Dienstag, 29. September 2009

Wilde Wiesn

... da fallen auch mal die Hüllen

Samstag Abend. Innen im Zelt steppt der Bär. Die aufheizenden Rhythmen der alten und neuen Wiesn Hits treiben alle auf die Bänke. Dem Sog des Bierkollektivs kann sich keiner entziehen. Ein paar Stunden gemeinsame Bierseligkeit, man gehört dazu, man ist dabei!

Diese Energiewellen schwappen durch die Fenster und Türen in den Garten und stecken an. Da wird in den Gängen getanzt. Zwei wilde Jungs rocken ekstatisch mit und zeigen blitzschnell abwechselnd ihren blanken Hintern. Man wartet gespannt, wie weit sie wohl gehen werden.

Doch für die Moral im Zelt ist gesorgt. Der kräftige Arm des Security-Mannes befördert die beiden vor die Tür.

Jeden Tag, jede Stunde, von jetzt auf nachher, zeigt sich mir die Wiesn in ihren untähligen Facetten. Sie ist ein Schmelztiegel jeglicher couleur. Ich finde das immer wieder interessant.

Freitag, 25. September 2009

Das "Italiener-Wochenende"

Das Wochenende wird heiß...

Heute abend bekommen meine Hände, Handgelenke und Füße nochmal eine Extra-Verwöhn-Pflegekur.
Das mittlere Wochenende ist bekannt, gefürchtet, geliebt und erwartet als das "Italiener-Wochenende" und vom Andrang her am stärksten.
Die ersten Gäste hatten wir heute schon. Das laute, erwartungsvolle "una bierra", dann das Verbrüdern mit allen anderen über sämtliche Tische hinweg und dazu noch ein kräftiges "viva Italia - viva Monaco" bringt Stimmung und gute Laune. Da fließt das Bier! Das Wiesnhendl dazu ist obligatorisch, aber auch Spezialitäten wie die Schweinshaxn und Schweinswürstl mit Kraut sind sehr beliebt.

Soviel im voraus. Jetzt brauche ich noch ein paar Stunden Schlaf.

Nach dem Wochenende...

Es war gar nicht so. Die Italiener wurden nicht mehr in der Anzahl als die Tage davor. Ob sie überhaupt kommen? In der Süddeutschen Zeitung stand, dass es das "Italiener-Wochenende" als solches gar nicht mehr gibt. Das konnten wir uns nun so gar nicht vorstellen...

Es war das dritte Wochenende! Samstagmorgens - ich bin kurz vor 8 Uhr an der Bavaria - erwartet mich vor dem Schützenzelt eine riesige Menschentraube. Wahrscheinlich waren die ersten schon morgens um 6 Uhr da um ins Zelt reinzukommen. Ich hole tief Luft. Zum Abschluss also doch noch zwei heiße Tage.
Um neun Uhr öffnen sich die Türen. Das Sicherheitspersonal sorgt dieses Mal für einen kontrolliert gesitteten Einmarsch ins Zelt. Mit rot-weißen Bändern haben sie Korridore geschaffen, die Rucksäcke werden kontrolliert, alle mitgebrachten Getränke müssen draußen bleiben, werden von allen nur zögerlich in die dafür bereitgestellte Mülltonne geworfen - das kann ich gut nachfühlen. Unser Wohlstand, das kompromisslose Streben nach maximalem Gewinn, erlauben diesen Umgang mit Wasser. Andernorts ist es Mangelware.

Doch endlich spüren sie das heiß ersehnte Terrain unter ihren Füßen: den Holzboden des Bierzeltes. Alle Mühen sind vergessen, erregtes Stimmengewirr hebt in Sekundenschnelle den Geräuschpegel um ein Vielfaches und dann ein glückliches "una bierra". Die Freude steckt an, vor allem dann wenn ich mit einer schäumenden Ladung von 9 Maß - oder Maßerl wie der Bayer liebevoll sagt - daherkomme und sie schwungvoll auf den Tisch setze. Fürs Foto mache ich das gerne gleich nochmal. Viva Italia!

Donnerstag, 24. September 2009

Wie bin ich zur Wiesn gekommen?

Das Unmögliche möglich machen


Es war ein kalter August und ich war auf der Suche nach Inspiration. Da stieß ich auf den Erfahrungsbericht von einem Rechtsanwalt, der seit Jahren schon im Weinzelt bedient. Es hat mich nicht mehr losgelassen.
Die Herausforderung war nun, das Unmögliche möglich zu machen.
Unmöglich deshalb, weil es immer heißt, dass dieser Job nur über Beziehungen und unter der Hand zu bekommen ist.

"Das wollen wir doch mal sehn", war meine Haltung, als ich vom Schreibtisch aus, ein Monat vor Beginn, bei den Bierzeltbüros angerufen habe. Bei den ersten Absagen habe ich erfahren, dass es teilweise wirklich so ist, dass man als Neuling nicht reinkommt und dass die Verträge bereits im März ausgestellt werden. Ein Spüljob wurde mir angeboten, doch ich wollte ja hautnah als Bedienung dabei sein.

Mit dieser klaren Absicht hatte ich Erfolg. Am selben Tag noch wurde ich zum Vorstellungsgespräch im Schützen-Festzelt eingeladen, habe es geschafft, 8 mit Wasser gefüllte Maßkrüge hochzuheben und hatte den Vertrag in der Tasche.

Dann bin ich gedanklich Achterbahn gefahren. "Will ich das wirklich und was kommt da auf mich zu? Schaffe ich das körperlich und seelisch? Bin ich mit dem Geld in der Tasche auf dem Nachhauseweg sicher?" Mit diesem Zwiespalt bin ich auf das Abenteuer Oktoberfest 2006 zugeschlittert. Mittlerweile ist es das vierte Jahr. Der Anfang ist jedes Jahr mit gemischten Gefühlen verbunden. Doch dann, wenn Astrid und all die anderen vertrauten Kolleginnen und Kollegen wieder da sind, die Brezn-Mizi ihren Stand aufgebaut hat, das "pack mr's wieder" die Runde macht, gewinnt die freudige Erregung und Gespanntheit die Oberhand. Ja, ich freue mich dann richtig darauf, alles aus mir herauszuholen, meine Kraft zu spüren, alles fließen zu lassen und aus jedem Tag einen besten Tag meines Lebens zu machen.


Zudem ist das Schützen-Festzelt für mich von der Lage her das schönste Zelt. Am Fuße der Bavaria, der Schutzpatronin Bayerns, liegt es auf einem Kraftplatz. Ich arbeite draußen im Garten und kann mich immer mit ihrer besonderen Energie und ihrer erhabenen Ausstrahlung verbinden. Sie gibt mir Kraft und Vertrauen.
Es ist auch ein tolles Gefühl, auf der Galerie zu sitzen und fern von jeglichem Gedränge den Blick über die Theresienwiese schweifen zu lassen.

Dazu lade ich Euch, meine lieben Leserinnen und Leser sehr gerne ein!

Mittwoch, 23. September 2009

Mein Oktoberfestbüro


Alles spielt sich unter der Dirndlschürze ab!

Liebe Freunde und Wiesn Fans,

heute möchte ich Euch noch von der Wirtschaftlichkeit meines Oktoberfestbüros berichten. Mit Feng Shui Augen betrachtet ist es perfekt: übersichtlich und gut durchorganisiert. Und der englische Begriff des home office trifft bei der Nähe zum Körper in jedem Fall zu.

Es besteht aus zwei Taschen die rechts und links an der Hüfte hängen.
In der rechten stecken
  • mein Geldbeutel, der an der Tasche und dem Gürtel angekettet ist,
  • Block und Kugelschreiber für die Bestellungen.
In der linken habe ich
  • das "Spielgeld" für Bier, Limonade, Apfelschorle etc. Damit bezahle ich an der Schenke.
  • Im Außenfach steckt noch das blaue Schwammtuch zum Tischabwischen.
  • Wenn es hektisch zugeht und das Besteck auf den Tischen knapp wird, hat man als gut organisierte Bedienung auch noch Ersatzbesteck in den Taschen.

Tiefer geht es dann in die Seitentaschen vom Dirndl. Darin werden für die zusätzlichen Wünsche der Gäste kleine Salz und Pfeffer, Senf, Ketschup gelagert. Das steht für optimales Zeitmanagement und gutes Haushalten mit der Kraft. Es erspart einen weiteren Gang in die Küche, der bei vollen Gängen und mindesten 100m Entfernung kein Vergnügen ist.

Für mein eigenes Wohlbefinden nehmen sie auch noch Salbei-Bonbons und das Handy für den Kontakt zur Außenwelt auf.

Astrid sagt immer: "aufgezäumt wie ein Zirkuspferdl san mr wieder". Dieses "Geschirr" wiegt natürlich auch einiges; je nach Dicke des Geldbeutels und der Menge der Biermarken. Das trage ich gerne den ganzen Tag. Schließlich geht es darum: viel verdienen!

Pfüat Euch!



Montag, 21. September 2009

O'zapft is!


Liebe Freunde,

alle Jahre wieder ist der Wiesn' Auftakt feierlich und traditionell. Die Wirtsfamilie hält in ihrer blumengeschmückten Kutsche Einzug. Vornedraus marschiert die Musikkappelle, die jetzt 16 Tage lang das Zelt mit bekannten alten und neuen Schlagern aufheizen wird.
Vor der Schenke steht schon die grüne Armada der Bedienungen Schlange. Alle warten auf den ersten Böllerschuß. Dann öffnen die Schankkellner die Zapfhähne der dunklen Holzfässer und das honigfarbene Gerstengold ergießt sich schäumend in die Maßkrüge.

Dann bin ich wieder mittendrin. Meine gemischten Gefühle hinsichtlich der erwartungsvollen Menschenmasse und wie wir da wohl durchkommen, lösen sich im Klirren der Maßkrüge auf. Auf der Wiesn geht die Uhr anders. Da dauert alles manchmal länger.
In der Reihe wird noch gefachsimpelt, wie man am besten 8, 10, 12 oder noch mehr Biermaßn mit den Händen greift und sich auf die Brust packt.
Mit 8 fange ich an. Die schiebe ich schnell und sicher zusammen. Eine Steigerung während der nächsten zwei Wochen ist möglich. Astrid, meine bewährte Kollegin, nimmt gleich 12 auf einen Streich. Respekt, das bewundere ich.

Ich werde immer wieder gefragt, wie die Arbeitszeiten auf der Wiesn sind. Ganz klar: ganz oder gar nicht. 16 Tage voller Einsatz. Samstag und Sonntag sind wir morgens um 8 Uhr da und unter der Woche abwechselnd um 9 oder 11.30 Uhr. Das heißt 3 x länger schlafen. Abends geht um 22.30 hr mit dem letzten Lied das Licht aus. Bis um 23.00 Uhr können die Gäste noch das letzte Bier austrinken. Dann werden Tische und Bänke gewischt. Und dann: heimgehen.

Damit grüße ich Euch ganz herzlich.

Freitag, 18. September 2009

Vorabendstimmung


Morgen geht's los. Punkt 12 Uhr wird sich mit den Böllerschüssen die Spannung auf der Theresienwiese entladen. Tausende Liter von dem Bier, das in den letzten zwei Tagen in großen Tanklastwagen zu seinem Bestimmungsort gefahren wurde, werden in Strömen fließen. Frisch geschäumt wird es mit seinem Duft nach der Gerste auf dem Feld die Gemüter der Oktoberfestbesucher fürs erste besänftigen. Ob Paulaner, Löwenbräu, Spaten...

Vor diesem großen Fluss, der die Menschen aus aller Welt mit sich reißt, bin ich heute nochmal in der besonderen Vorabendstimmung über die Wiesn geradelt. Das Riesenrad hat in seinem Ruhezustand eine majestätische Ausstrahlung, weckt die Erinnerung an meine ersten Kirmesbesuche als Kind. Die Schiffschaukel gleich daneben macht Lust, mich mal wieder richtig in die Höhe zu schwingen, bis kurz vorm Überschlag.

Tja, dann bis morgen! Das grüne Schützen-Dirndl hängt gebügelt am Schrank, die Schuhe stehen bereit, der Rucksack ist mit allem Lebensnotwendigen für den ersten Tag gepackt: Vitamine, Propolis-Pastillen für den Hals, Traubenzucker.