Montag, 12. Oktober 2009

Der letzte Abend

... es herrscht Aufbruchstimmung ... fast geschafft!

Dazu wird es jetzt richtig feierlich. Vor dem letzten Lied steigen die Wirtsfamilie, die Bedienungen, die Köche zur Musikkapelle auf die Bühne. Nach der Dankesrede vom Wiesn' Wirt an alle, die dieses 176igste Oktoberfest möglich gemacht haben, werden auch wir Bedienungen vom Publikum gefeiert. Ein Riesenapplaus erfüllt uns mit Stolz. Dazu geht das Licht aus und Hunderte von Wunderkerzen verwandeln das Zelt in ein funkelndes Sternenmeer. Noch einmal vereint der Wiesn Song "Weus'd a Herz hast wie a Bergwerk" von Rainhard Fendrich, alle die da jetzt ganz sentimental auf den Bänken stehen. Umarmungen, Freude..., der Moment, in dem alles gut ist.

Und mit einem letzten Wiesn'Busserl sag ich Servus!

Hinter den Kulissen

Ein Wiesn'Arbeitstag

Hinter den Kulissen sieht die Welt anders aus. Von den Gästen werde ich als Bedienung natürlich immer wieder auf den guten Verdienst angesprochen und manche rechnen sogar aus, wieviel wir im Schnitt an der Maß verdienen. Eine Wiesn' Bedienung spricht jedoch nicht übers Geld. Doch wenn ihr die Hand vom Geldbeutel auf- und zumachen wehtut, nimmt sie das gerne hin :-)

Es ist ja auch alles relativ und jeder Euro ist mehr als verdient.
Wie sieht so ein Tag aus? Wieviele Kilometer bringen die Beine hinter sich? Wann gibt es etwas zu essen? Wie halte ich mich über diese ganze Zeit fitt und lebendig? Wie funktioniert dieses Riesenunternehmen überhaupt?

Wochenende: Um 8 Uhr ist Dienstbeginn. Als erstes werden Tische und Bänke gewischt und ordentlich hingestellt. Das Besteck muss aus der Küche organisiert werden. Zum Nachputzen und Polieren ist keine Zeit. Jeder Tisch bekommt eine weiße Papierdecke, einen Krug mit Besteck, Servietten und eine Speisekarte... dann gibt's ein gemeinsames Frühstück. Das muss vorhalten. Deswegen bringe ich mir meistens vom Bäcker Vollkornsemmeln mit um eine gute Grundlage zu haben. Ich weiß nicht, wann wieder Zeit zum Essen bleibt. Manchmal reicht es gerade mal für einen Happen zwischendurch, einen schnellen Kaffee. Und machmal auch für eine halbe Stunde Pause zum Essen in der Wiesn'Kantine oder ein Personalessen im Zelt. Dass da meine überflüssigen Pfunde wegschmelzen wie ein Vanilleeis in der Sonne, versteht sich von selbst. In dem Kontext lässt sich die Wiesn auch als kostenloses Fitnessstudio sehen :-) Ich spüre ungeahnte Muskeln, kann zuschauen wie sie wachsen und mich über diesen Nebeneffekt freuen.

Auf der Wiesn' bin ich selbständige Subunternehmerin. Das heißt ich kaufe das Bier und das Essen vom Wirt und verkaufe es an den Gast. Die Marge dazwischen und das Trinkgeld sind mein Verdienst. Es gibt keinen zusätzlichen Stundenlohn. Schön wärs!
Beim ersten Mal kam noch dazu, dass ich mir zwei Dirndl, zwei Schürzen und vier Blusen als Arbeitskleidung kaufen musste. Eine Investition von schlappen 450 Euro.

Gute Schuhe sind das A und O. Dieses Jahr habe ich mir super Nordic Walking Schuhe mit extra Luftpolster zugelegt. Die haben sich gelohnt. Jeder Gang in die Küche sind hin und zurück im Schnitt 200 bis 250 Schritte. Da ist durchdachte Organisation gefordert. Bei leeren Gängen geht es ja. Doch im überfüllten Gang mit vollem Schlitten (das Tablett fürs Essen) ist Aloisius - mein Schutzengel - mein Verbündeter, der mir den Weg freimacht.
Die Kraft der Gedanken... ein gedachtes "Weg frei" bringt mehr als ein lautes und schont zudem die Stimme.
Also, ein überfüllter Gang in einem Bierzelt als ideales Experimentierfeld für sämtliche Mentaltechniken, die in teuren Managementtrainings vermittelt werden.

Der Weg für eine Weinschorle sieht ganz anders aus als der fürs Bier. Das weiß der Gast natürlich nicht und wundert sich, dass er darauf viel länger warten muss als auf's Bier. Das Bier kommt frisch von der Schenke, manchmal um's Eck. Ich habe oft gehört "Oh, das geht aber schnell!" Naja, bei den Schuhen... :-)
Für die Weinschorle gehe ich dann diese 200 - 250 Schritte, stelle mich an der Kasse an um den Bon zu kaufen und stelle mich nochmal am Stand an, wo es diese Weinschorle dann endlich gibt. Wenn ich sowieso eine Essensbestellung habe, mache ich natürlich alles in einem Weg und balanciere die Weinschorle zwischen Schweinshaxn und Hendl auf dem Schlitten durch den Gang.

Das Wichtigste auf der Wiesn ist: furchtlos nach vorne gehen.